Michael Mäde
»Drück aufs Gas/wollen sehen, wer uns zu halten vermag...«
Foto: Daniel Biskup
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Der
Draupadi-Verlag aus Heidelberg hat sich der Aufgabe verschrieben,
indische Literatur im deutschen Sprachraum bekannter zu machen. Unter
den Büchern des Verlages findet sich auch ein schmales Bändchen der
bengalischen Poetin Mandakranta Sen. Sie ist in Deutschland bislang
nicht so bekannt, was sich aber ändern dürfte. Auf der
Rosa-Luxemburg-Konferenz dieser Zeitung am 12. Januar hatte sie einen
fulminanten Auftritt.
Die Sprache der 1972 geborenen Dichterin
ist frei von intellektueller Attitüde, Sen will verstanden werden und
hat Spaß daran. Sie ist mutwillig, charmant und philosophisch: »Was du
vergessen, was überstanden, ist lange nicht vergangen,/ Vergangenes
nennt man, was nicht aufhört.« (»Hetze«) Gesellschaftskritik geht in
die Texte der Dichterin ein, nicht plakativ, nicht ideologisch
gedeutet, sondern im Gestus des unmittelbaren Sprechens: »Das Leben –
ein fließendes buntes Fest/Nachrichten kommen hier verspätet
an/diejenigen, die täglich zu Hunderten sterben,/sind niemand von uns –
Gott sei Dank.../An jeder Straßenecke Kadaver und Tote/kurble die
Scheiben hoch, drück aufs Gas/wollen sehen, wer uns zu halten
vermag...« (»Nach uns«). Sens poetische Sprache korrespondiert mit
ihrer politischen Haltung, erschöpft sich aber nicht in ihr und kann so
emanzipatorisch wirken.
Ganz selbstverständlich rüttelt sie an
den Verhältnissen, weil sie ihrem Glück und dem der anderen
entgegenstehen. Diese Haltung ist für sie so normal, daß sie es für den
Leser auch wird. So bleibt Raum für einen verschmitzten Humor:
»Liebster, warum ist die Tante nicht gekommen?/Sag ihr bitte nicht,/
daß ich so gut küssen kann./..Morgen geh ich in dein Büro,/...dann
fängt das Abenteuer an.../Wir steigen auf das Shahid Minar./Dort werde
ich hinausposaunen:/Onkel Indra ist mein Lover!«( »Ein seltsames
Verhältnis«)
Mandakranta Sens Lyrik ist nicht ohne Widerhaken,
die Schönheit – die große Bildhaftigkeit ihrer Sprache muß sich der
Leser erarbeiten. Worte, die wichtig sind für das lyrische Ich, gilt es
zu entschlüsseln. Mond, Sonne, Finsternis. Im Deutschen zerzauste Worte
funkeln plötzlich wieder. »Du kennst die Sonnensprache«, heißt es in
einem ihrer Texte. Bei Mandakranta Sen läuft der Mond vor ihr her und
ruft laut: Faß mich an! Da schleichen »jugendlich starke Minibusse
todmüde in Garagen«, und auch Garagen fallen in den Schlaf, und der
Sonne wird aufs Haupt geschlagen. Politische und poetische Nachricht –
wir bedürfen beider. Auch wenn uns das oft nicht klar ist.
Mandakranta Sen: Alles im Zeichen der Nacht. Aus dem Bengalischen
von Shyamal Dasgupta und Christian Weiß, Draupadi-Verlag, Heidelberg
2006, 32S., 7,50 Euro. Signierte Exemplare auch im jW-Shop