29.01.2008

Der Sonne aufs Haupt schlagen

Im Anschluß an die Rosa-Luxemburg-Konferenz zu entdecken: Politisch wie poetisch bringt die bengalische Dichterin Mandakranta Sen zerzauste Worte zum Funkeln

Michael Mäde
»Drück aufs Gas/wollen sehen, wer uns zu halten vermag...«
»Drück aufs Gas/wollen sehen, wer uns zu halten vermag...«
Der Draupadi-Verlag aus Heidelberg hat sich der Aufgabe verschrieben, indische Literatur im deutschen Sprachraum bekannter zu machen. Unter den Büchern des Verlages findet sich auch ein schmales Bändchen der bengalischen Poetin Mandakranta Sen. Sie ist in Deutschland bislang nicht so bekannt, was sich aber ändern dürfte. Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz dieser Zeitung am 12. Januar hatte sie einen fulminanten Auftritt.

Die Sprache der 1972 geborenen Dichterin ist frei von intellektueller Attitüde, Sen will verstanden werden und hat Spaß daran. Sie ist mutwillig, charmant und philosophisch: »Was du vergessen, was überstanden, ist lange nicht vergangen,/ Vergangenes nennt man, was nicht aufhört.« (»Hetze«) Gesellschaftskritik geht in die Texte der Dichterin ein, nicht plakativ, nicht ideologisch gedeutet, sondern im Gestus des unmittelbaren Sprechens: »Das Leben – ein fließendes buntes Fest/Nachrichten kommen hier verspätet an/diejenigen, die täglich zu Hunderten sterben,/sind niemand von uns – Gott sei Dank.../An jeder Straßenecke Kadaver und Tote/kurble die Scheiben hoch, drück aufs Gas/wollen sehen, wer uns zu halten vermag...« (»Nach uns«). Sens poetische Sprache korrespondiert mit ihrer politischen Haltung, erschöpft sich aber nicht in ihr und kann so emanzipatorisch wirken.

Ganz selbstverständlich rüttelt sie an den Verhältnissen, weil sie ihrem Glück und dem der anderen entgegenstehen. Diese Haltung ist für sie so normal, daß sie es für den Leser auch wird. So bleibt Raum für einen verschmitzten Humor: »Liebster, warum ist die Tante nicht gekommen?/Sag ihr bitte nicht,/ daß ich so gut küssen kann./..Morgen geh ich in dein Büro,/...dann fängt das Abenteuer an.../Wir steigen auf das Shahid Minar./Dort werde ich hinausposaunen:/Onkel Indra ist mein Lover!«( »Ein seltsames Verhältnis«)

Mandakranta Sens Lyrik ist nicht ohne Widerhaken, die Schönheit – die große Bildhaftigkeit ihrer Sprache muß sich der Leser erarbeiten. Worte, die wichtig sind für das lyrische Ich, gilt es zu entschlüsseln. Mond, Sonne, Finsternis. Im Deutschen zerzauste Worte funkeln plötzlich wieder. »Du kennst die Sonnensprache«, heißt es in einem ihrer Texte. Bei Mandakranta Sen läuft der Mond vor ihr her und ruft laut: Faß mich an! Da schleichen »jugendlich starke Minibusse todmüde in Garagen«, und auch Garagen fallen in den Schlaf, und der Sonne wird aufs Haupt geschlagen. Politische und poetische Nachricht – wir bedürfen beider. Auch wenn uns das oft nicht klar ist.

Mandakranta Sen: Alles im Zeichen der Nacht. Aus dem Bengalischen von Shyamal Dasgupta und Christian Weiß, Draupadi-Verlag, Heidelberg 2006, 32S., 7,50 Euro. Signierte Exemplare auch im jW-Shop

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