Eugenio Suárez Pérez - Chefredakteur der kubanischen Zeitschrift Cuba socialista
Wir erleben einen Moment in der Geschichte der
Menschheit, in dem die Einheit der revolutionären und linken Kräfte
notwendiger denn je ist, um sich einem verfallenden Imperialismus
entgegenzustellen, der in seinem Drang, sich durchzusetzen, eine
weltweite Diktatur neofaschistischer Art, gestützt auf den
Kriegsneoliberalismus, zu errichten versucht. Es ist ein Moment, in dem
Washington intensiv den Staatsterrorismus entwickelt – einige Forscher
nennen ihn »Pentagonismus« –, der öffentlich sein Recht geltend gemacht
hat, »Überraschungs- und Präventivschläge gegen 70 Länder auszuüben«,
mehr noch, »in jeder dunklen Ecke des Planeten«, um seine Vorherrschaft
mit Hilfe des Krieges zu erhalten.
Entscheidende Kraft
In der gegenwärtigen
Weltwirtschaftsordnung werden wir Länder des Südens in Ausbeutung
einbezogen und von Entwicklung ausgeschlossen. Der übermäßige Reichtum
im Norden ist das Ergebnis der zügellosen kolonialen und neokolonialen
Ausbeutung des Südens. Eine solche Ordnung verhindert die Entwicklung
unserer Länder, um den verschwenderischen Konsumrausch des Nordens, die
Umweltverschmutzung und das beschleunigte Erschöpfen der
Naturreichtümer des Planeten beizubehalten.
Die Statistiken
besagen, daß der Einkommensunterschied zwischen den reichsten und den
ärmsten Ländern 1960 beim Faktor 37 lag. Ende 2005 lag er bei 74.
Allerdings muß erwähnt werden, daß Armut und Ungleichheit nicht nur
ausschließlich in armen Nationen vorkommen; das Scheitern des
kapitalistischen Systems ist auch für die Einwohner der reicheren
Länder spürbar, denn das Elend ist gewachsen, und die Bewohner werden
allein gelassen, wie die dramatischen Folgen des Hurrikans »Katrina«
für den Süden der USA gezeigt haben; erinnert sei an die 36 Millionen
Armen, die neun Millionen Arbeitslosen, die sechs Millionen Menschen
mit unsicheren Arbeitsverhältnissen und die zwölf Millionen, die an
chronischem Hunger und Unterernährung in eben diesem Land leiden. (...)
Die sozialen Bewegungen in diesem Teil der Welt sind zu einer
entscheidenden Kraft in einigen lateinamerikanischen und karibischen
Ländern geworden, und sie werden immer stärker, (...) sie werden zu
Bezugspunkten und Symbolen des weltweiten Vorgehens gegen den
Neoliberalismus. In diesem neuen historischen Augenblick, den
Lateinamerika und die Karibik durchleben – einige nennen das
»Linksbewegung« oder »Linkswende« oder »Aufstand der Armen« –, hat die
bolivarische Revolution in Venezuela diesem Kampf eine kräftige Prise
Zusammenarbeit und Hoffnung gegeben. Ihr Führer, Präsident Hugo Chávez
Frias, hat den sozialistischen Charakter dieser Revolution erklärt als
einzige Perspektive für die Völker, wenn sie die Träume vieler
lateinamerikanischer und karibischer Generationen Wirklichkeit werden
lassen wollen. (...)
Solidarität Kubas
Als krönenden Abschluß des Jahres 2005
meldete Kuba einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 11,8 Prozent,
den höchsten in der Geschichte der Revolution. Der Wahlsieg von Evo
Morales, der an der Spitze der Bewegung zum Sozialismus (MAS) mit so
vielen Stimmen wie nie zuvor Präsident Boliviens wurde und dem
Kandidaten der neoliberalen Oligarchie eine Niederlage zufügte. Zum
ersten Mal in der Geschichte Lateinamerikas wird ein Ureinwohner zum
Präsidenten gewählt. Unsere Erwartungen und Hoffnungen verbinden sich
auch mit den Ergebnissen des zweiten Wahlgangs in Chile, der morgen, am
15. Januar, stattfinden wird, denn die Kandidatin der Sozialistischen
Partei, Michelle Bachelet, erzielte im ersten Wahlgang 45,9 Prozent der
Stimmen. (Die Stichwahl gewann sie mit 53,4 Prozent der Stimmen – d.
Red.)
Lateinamerika hat den Zeitpunkt erreicht, an dem die
größte kapitalistische Weltmacht ethisch-moralisch geschlagen ist und
sich nur durch Waffen, Bedrohungen und Erpressung am Leben erhält.(...)
Trotz 47 Jahren Blockade sind wir stolz auf das Erreichte und
die Unterstützung, die unser Land anderen Völkern gegeben hat. Die
Solidarität ist eine der Säulen der kubanischen Revolution. Das ist so
sehr der Fall, daß vor kurzem in einer UN-Versammlung in New York, an
der der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter als Gast teilnahm, dieser
mehrere Anwesende in Staunen versetzte, als er fünf Minuten in den
Abschlußworten zu dieser Veranstaltung dazu nutzte zu sagen, daß seine
Erfahrungen in Kuba außergewöhnlich waren, daß er in Kuba ein Land
fand, das Vollbeschäftigung garantiert, in dem die Kinder in die Schule
gehen und ein hohes Bildungsniveau existiert, daß er bei seinen
wiederholten Reisen durch die Welt die selbstlosen kubanischen Ärzte
sehen konnte, bei der Rettung von Leben und beim Kampf gegen AIDS in
Afrika – wie er sie erlebt hat –‚ daß Kuba auf keinen Fall eine solche
Behandlung wie in Genf verdient hatte, um so weniger, als man dort in
der Menschenrechtskommission nicht über die Vorfälle in Guantánamo
sprechen wollte.
Der tiefe Sinn der kubanischen Revolution
besteht gerade darin zu beweisen, daß die Möglichkeit besteht,
Humanismus in dieser Zeit zu säen und zum Blühen zu bringen. Aber der
humanistische und solidarische Beitrag Kubas geht über diese Worte
hinaus. Während der Jahre der Revolution haben 45 000 Jugendliche aus
120 Ländern in Kuba einen Studienabschluß gemacht. Allein im letzten
Studienjahr erreichten 2 422 Studenten aus 115 Ländern in unserem Land
einen Abschluß. Gegenwärtig studieren in Kuba kostenlos mehr als 19 000
Jugendliche aus Ländern der »dritten Welt«. Im vergangenen Jahr bildete
Kuba 1 612 Ärzte aus 27 Ländern in der Lateinamerikanischen Schule für
Medizinische Wissenschaften aus. Heute arbeiten mehr als 25 000
kubanische Mediziner als Mitarbeiter im Gesundheitswesen von 68
Ländern, in 28 davon auf der Grundlage eines umfassenden
Gesundheitsprogramms. Die Operación Milagro (Programm zur kostenlosen
Augenoperation), die seit 2004 läuft, um venezolanische Patienten mit
Sehproblemen zu behandeln, wurde allmählich auf die übrigen Länder
Lateinamerikas und der Karibik ausgedehnt, wodurch bis zum 16. Dezember
des vergangenen Jahres 172 306 Augenoperationen durchgeführt werden
konnten.
Ebenso wurde im August vergangenen Jahres, als der
Hurrikan »Katrina« über New Orleans hinwegzog, die Henry-Reeve-Gruppe
gebildet, der Tausende Ärzte, Techniker und Spezialisten des
Gesundheitswesens angehören, deren Aufgabe darin besteht, irgendwohin
in die Welt zu gehen, wo es Naturkatastrophen oder Epidemien gab.
Obgleich die USA die solidarische Hilfe nicht angenommen haben, hat
diese medizinische Gruppe bereits internationalistische Missionen
erfüllt: Mehr als 700 Ärzte waren in Guatemala, und gegenwärtig wird
das pakistanische Volk mit mehr als 2 300 Kräften aus dem
Gesundheitswesen unterstützt. (...)
Globale Krise
Genossinnen und Genossen, wir glauben an den
Menschen in der Gewißheit, daß die Solidarität zwischen den Menschen
bedeutsamer ist als das materielle Interesse. Wir sind Optimisten, weil
wir Revolutionäre sind, und wir haben Vertrauen in den Kampf der Völker
in ihrem Bestreben, eine Welt zu schaffen, in der wir alle die gleichen
Rechte haben: eine Welt der Solidarität, Gerechtigkeit und des
Friedens.
So wie Genosse Fidel sagte: »Heute ist die Krise in
der Welt nicht die eines einzelnes Landes, eines Subkontinents oder
eines Kontinents, und kann es auch nicht sein, sie ist auch global.
Daher sind ein solch imperiales System und eine Wirtschaftsordnung, die
der Welt aufgezwungen wurde, unhaltbar. Die Völker, die entschieden
kämpfen, nicht nur um ihre Unabhängigkeit, sondern auch um ihr
Überleben, können niemals besiegt werden...«