Gastkommentar Von Bernd Riexinger
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat am Dienstag ein enttäuschendes
Urteil gefällt, daß insbesondere in zahlreichen deutschen Unternehmen
und Großkonzernen für Erleichterung und knallende Sektkorken gesorgt
haben dürfte. Unzählige Leiharbeitsbeschäftigte wurden dagegen vom
Gericht im Regen stehengelassen: Der Dauereinsatz von Leiharbeit und das
damit verbundene Lohndumping bleiben gängige Praxis eines entfesselten
Arbeitsmarktes.
Auf dem juristischen Prüfstand stand die Reform
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes aus dem Jahr 2011, nach der der
Einsatz von Leiharbeitsbeschäftigten nur »vorübergehend« erfolgen darf.
Allerdings hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung weder geklärt, was
unter dem Begriff »vorübergehend« zu verstehen ist, geschweige denn, daß
die dauerhafte Leiharbeit durch den Gesetzgeber sanktioniert wurde. Die
Folgen waren absehbar: In großer Selbstverständlichkeit gründeten immer
mehr Unternehmen eigene Leiharbeitsfirmen, um die Beschäftigten
anschließend an den Mutterkonzern zurückzuverleihen. Einziger Sinn und
Zweck dieser Personalpolitik ist das Unterlaufen von Tarifverträgen und
das dadurch mögliche Lohndumping. Diese Beschäftigungspolitik à la
rot-grün bleibt künftig möglich.
Enttäuschend ist das Urteil
aus Erfurt insbesondere deshalb, weil die Richter mit ihrer
Tatenlosigkeit ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg
aufgehoben haben. Statt juristische Klarheit für unzählige Beschäftigte
herbeizuführen, haben Deutschlands oberste Arbeitsrichter den Ball
zurück in das Feld der Politik gespielt. Sanktionen festzulegen, sei
Sache des Gesetzgebers und nicht der Richter, so die Urteilsbegründung.
Die jetzt im Koalitionsvertrag vereinbarte Begrenzung der
Überlassungsdauer auf 18 Monate ist völlig ungenügend und wird der
betrieblichen Realität nicht gerecht. Die SPD hat in den
Koalitionsverhandlungen etwas erkämpft, was den Beschäftigten nicht
hilft. Rund die Hälfte der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ist
lediglich für drei Monate beschäftigt und hätte nichts von dieser
Regelung. Soll Leiharbeit ernsthaft wieder auf die ursprüngliche
Funktion zurückgeführt werden, Personalengpässe und Auftragsspitzen
abzufangen, reichen drei Monate aus.
Wer die Leiharbeit
ernsthaft aus der betrieblichen und gesellschaftlichen Realität
zurückdrängen will, darf nicht die Attraktivität des Lohndumpings aus
Sicht der Unternehmen zur politischen Handlungsmaxime machen, sondern
muß die Interessen der Beschäftigten vertreten. Deshalb will Die Linke
für Leiharbeitsbeschäftigte eine Flexibilitätszulage von zehn Prozent
und perspektivisch ein Ende der Leiharbeit.
Bernd Riexinger ist
Kovorsitzender der Partei Die Linke. Auf der Internationalen
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar in Berlin nimmt er an der
Podiumsdiskussion zum Thema »Wie kann der Kampf gegen Faschismus, Krieg,
Sozialabbau gebündelt werden?« teil.